Oder: Wie das CIDCOM Team einst für Thierry Muglers Duftkreationen zaubern durfte

Als unser Eventteam im Frühjahr 2005 im niederösterreichischen Kremstal im hohen Gras eines einsamen Lagerplatzes ein paar Tonnen Stahlelemente und einen Container voller Metallgestänge und Kunststoffplanen ausfindig gemacht hatte, waren wir fast am Ziel: Das unbekannte Raumschiff, das die Eroberung der Erde durch eine außerirdische Kraft begleiten würde, war endlich gefunden.

Aber der Reihe nach: Die österreichische Vertretung des Markeninhaber CLARINS beauftragte uns nach vorangegangen, erfolgreichen Duftpräsentationen (unter anderem für den Herrenduft B*MEN) mit einer faszinierenden Präsentation und nachfolgenden Roadshow (und glücklicherweise mit ausreichend Budget – in den frühen Nullerjahren war Europa noch ein maßgeblicher Markt für Düfte und Kosmetik). Und weil Parfumlaunches französischer Marken für gewöhnlich durch nichts zu übertreffen sind, mussten wir zumindest uns selbst dabei übertreffen. Denn "Paris", wie man bei CLARINS in Österreich andächtig zu sagen pflegte, würde auch jedes Detail goutieren und freigeben.

Unter strengster Geheimhaltung wurde unserem CIDCOM Team (unter der Leitung von Benno Döller) der programmierte nächste Erfolg der Mugler'schen Parfumfamilie vorgestellt, den es Mitte 2005 zu launchen galt. Der Name? ALIEN. Der Duft? Unverwechselbar bis zum heutigen Tag. Das Konzept des Launches? Musste so außergewöhnlich sein, wie noch kein anderes zuvor.

Der ehemalige Sprachpavillion des ORF aus dem "Jahr der Sprachen 2001" wurde aufwendig renoviert, reaktiviert und im MuseumsQuartier errichtet.

Die atemlose Jagd nach dem Außergewöhnlichen

Die Anforderungen an unser Event-Unit waren schlicht enorm. Die Locations der Hauptpräsentation und der folgenden Roadshow sollten möglichst "arty" und "fresh" sein, genügend Platz bieten, Dekoration, Darbietung, Catering und Styling mussten den "außerirdischen Charakter" der Story von ALIEN wiedergeben – kurz: von diesem Launch sollten die eingeladenen Vertreter des Handels, der Medien und natürlich auch die prominenten Gäste noch lange reden (was sie zu unserer Freude auch taten).

Für die abendliche Hauptpräsentation gelang es, den großen Hof des erst 2001 eröffnete MuseumsQuartier zu fixieren – ein damals besonders heikler Wiener Eventstandort, weil bis dahin so gut wie nichts außer lockeres Herumstehen erlaubt wurde. Was wir 2005 dort am 15. Juni vor dem Porticus "landen" ließen, war nichts geringeres als das eingangs zitierte Raumschiff – der auffällige weiße Pavillion, der ursprünglich 2001 im "Jahr der Sprachen" als mobile Eventlocation gedient hatte, wurde von unseren Designer:innen und Technikpartnern kurzerhand zum UFO umgebaut. Im hohen Gras des Kremstals hätte das Werk eines Wiener Architekturstudios ohnehin nur Rost und Schimmel entgegengeblickt. Im Inneren des Kuppelbaus wurde eine spannende Bühnen- und Lichtsituation errichtet, denn der eher kleine Pavillion musste den außenstehenden Zuseher:innen genügend Einblick auf die Show aus Licht, Dampf und Musik geben.

Die Landung des ALIEN – mit Pomp und Technik

Am Abend des 15. Juni trafen dann gegen 19 Uhr rund 120 geladene Gäste im Hof des MQ ein, früher hätte es keinen Sinn gemacht, denn es musste dunkel genug sein, um die Lichtinszenierung im Pavillion wirken zu lassen. Aber um 22 Uhr gab’s "Sendeschluss" im Hof des MQ. Das exklusive MOTTO Catering, die fruchtigen Shots aus Eprouvetten mit Trockeneisnebel und die dynamische Show mussten bis dahin abgewickelt sein, sonst hätte man uns "den Saft" einfach abgedreht. Um es kurz zu machen: Die "Landung" geriet zum audiovisuellen Erfolg und wie uns später mitgeteilt wurde, war man auch bei CLARINS in Paris der Meinung, diese externe Präsentation konnte den hohen Ansprüchen der Marke genügen. Die sechsmonatige Vorbereitung hatte sich gelohnt – nun konnte die Roadshow kommen.

Virtual Reality? Hallo, wir schreiben erst das Jahr 2005!

Für die Roadshow durch die Landeshauptstädte bekam unserem Kreativteam von Mugler einen Pool an Videoclips und Produktaufnahmen zur Verfügung, den wir ebenfalls auf ungewöhnliche Weise inszenieren sollten. Aber mit Videowalls und anderer aufwendiger Technik des Jahres 2005 wäre die Roadshow nicht zu stemmen gewesen. Also griffen wir zu winzigen tragbaren DVD-Playern und von unserem Technikteam eigens gebauten Videobrillen-Kits samt Kopfhörern. Zwar ohne heutige Digitaltechnik – die lag in weiter Ferne – aber überzeugend neuartig. Die Verhaltenheit, mit denen die Gäste die Geräte überstülpten, wäre 2022 längst dem heute gewohnten Umgang mit technischem Klimbim gewichen. Die damals brandneue Murinsel in Graz, das ebenso junge Lentos in Linz und viele mehr wurden mit der außergewöhnlichen Roadshow angefahren und erfolgreich bespielt.

Nach dieser anstrengenden Tour durch das sommerlich knallheiße Österreich stand jedenfalls eines für unser Team fest: Es war uns eine außerirdische Ehre, Monsieur Mugler – r.i.p.

Text: Stephanos Berger